Interdisziplinäre Workshops
Bericht über den 3. Workshop für Vertrauensleute, Ethikbeauftragte und KollegInnen in Leitungsfunktionenam 22.6.2024 in Hannover (online)
Im Workshop wurden die unterschiedlichen Perspektiven von Betroffenen und Tätern einer näheren Betrachtung unterzogen. Frau Schleu führt in das Thema ein. Psychische Störungen und so Behandlungsbedürftigkeit haben in den zurückliegenden Jahren zugenommen (Thom et al., DÄB, 2024), insbesondere Posttraumatische Belastungs- (+116%) und Angststörungen (+30%) sowie Störungen durch psychotrope Substanzen (+35%) und Depressionen (+14%).
PatientInnen werden jedoch abgeschreckt durch bekanntwerdende Grenzverletzungen. Ein Ratsuchender mit einer depressiven Störung erfährt über einer Freundin, dass in der Tagesklinik, an die er sich nach längerer erfolgloser Suche eines Behandlungsplatzes bei niedergelassenen PsychotherapeutInnen gewendet hat, ein Therapeut eine sexuelle Beziehung zur Freundin seiner Freundin gehabt hat. Er verzichtet auf das angebotene Erstgespräch. An einem solchen Ort will er keine Behandlung wahrnehmen.
Auch die Tatsache, dass Grenzverletzungen kaum je eine rechtliche Begrenzung finden und nur selten Konsequenzen für die beschuldigten TherapeutInnen haben, irritiert PatientInnen und behindert die Entwicklung einer vertrauensvollen Behandlungsbeziehung. In den Jahren 2019 bis 2021 gab es nur 3 Verfahren zum §174c, Abs. 2 StGB, davon 2 mit einer Verurteilung und eines ohne Verurteilung. Angesichts von mehr als 1.000 Fällen von sexuellem Missbrauch/Jahr in Deutschland ist dies ein verschwindend geringer Anteil. Zudem sind rechtliche Verfahren für Betroffene selten hilfreich. Ein anderer Ratsuchender schreibt, dass ihn der Gedanke quäle, dass alles für seinen Therapeuten keine allzu großen Konsequenzen habe werde, während er mit dem Schaden allein bleiben würde. Umso entscheidender ist die Prävention, indem frühzeitig die Muster und Mechanismen von TäterInnen und die Aura von Unangreifbarkeit, die aggressive externalisierende Abwehr erkannt werden und durch Dritte eingegriffen werden kann. Es sind jedoch nicht nur PatientInnen betroffen, sondern auch KandidatInnen, die sich im Rahmen der Aus- und Weiterbildung mit ihren idealisierten Vorbildern identifizieren. Es geht für Sie auch um die Aufnahme in die psychotherapeutische Institution und Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist idealisiert und im Selbsterfahrungsprozess besteht, ebenso wie in der Patientenbehandlung ein erhebliches strukturelles Machtgefälle auf psychischer und auch beruflicher Ebene mit Einordnung in die idealisierte Profession. In diesem Zug werden die sozialen Strukturen der psychotherapeutischen Institutionen inkorporiert. Und dazu gehören Tabuisierung, Spaltung und andere Abwehrmanöver: die Gruppe gegen den einzelnen Betroffenen, lähmendes Schweigen versus ohnmächtige Wut, Anklage versus Bagatellisierung, Infragestellung und Beschämung versus lärmende Verteidigung, Funktionsfähigkeit versus Hilflosigkeit. Es resultiert eine kollusive Verleugnung, der Täter schweigt, um sich zu schützen, der Betroffene aus Scham- und Schuldgefühlen und die Institution zum Zweck des Selbsterhalts. Die Identifikation mit dieser Dynamik der Verleugnung führt zur transgenerationalen Weitergabe von Grenzverletzungen in der Profession. Die vermeintlich selbstschützende Abwehr wird jedoch zum Bumerang. Die Institutionen, die in der Verleugnung verharren, gehen oft zu Grunde. So ist es notwendig, Betroffene zu ZeugInnen zu machen, Täter zu sanktionieren und einen offenen Diskurs zu Fehlern gemeinsam mit Betroffenen zu initiieren.
Frau Daues berichtete über Erfahrungen in der Selbsterfahrung. Sie resümiert, dass Grenzverletzungen – entgegen aller rationalen Einsicht – ein starkes Bedürfnis nach Selbstschutz, Kontrolle, Scham- und Schuldgefühle bei dem Betroffenen bedingen. Aus Sicht von Betroffenen beobachtet sie, dass ihr Zweifel an der Glaubwürdigkeit entgegengebracht werden und/oder ihr die Verantwortung für das Geschehen und das Verbleiben in der therapeutischen Beziehung zugewiesen werden. Eben jene Zuschreibung von Verantwortung und Schuld durch die eigentlich verantwortliche TherapeutIn sind so lähmend und halten die Abhängigkeit des Betroffenen aufrecht, gefangen zwischen Angst, Wut und Sorge um die Therapeutin und die gemeinsame therapeutische Arbeit. Das kollusive Ausbleiben einer gemeinsamen Auseinandersetzung und damit Mentalisierung der Grenzverletzungen lässt verstummen und schreibt die Situation fort. Die prekäre Mischung aus Sonderbehandlung und Beschämung und die idealisierte Vorstellung eines guten Endes, um sich nicht ein desaströses Scheitern eingestehen zu müssen, bilden den zweiten Ring der alptraumartigen Abhängigkeit. Das Erwachen aus dem Alptraum bedurfte einer externen Beratung, die ein Mediationsverfahren vorschlug, das die Therapeutin jedoch strikt ablehnte. Daraus folgend forderte sie als Betroffene die Behandlungsdokumentation an, was zunächst verzögert wurde und anschließend durch einen Anwalt geschah. Aufgrund der Diskrepanzen zwischen eigenem Erleben und den Aufzeichnungen der Analytikerin kam dann die Entscheidung zustande, Beschwerde bei der Ethikkommission einzureichen. Weitere Verzögerungen, Pathologisierungen und Unwahrheiten durch die Therapeutin charakterisierten das Beschwerdeverfahren. Die Belastungen des Verfahrens vor allem mit der Unkontrollierbarkeit der Weitergabe sehr persönlicher Daten wurden rückblickend als notwendig empfunden, um sich von den malignen Identifikationen und Introjekten aus der Selbsterfahrung lösen zu können und eine gewachsene Sensibiltät für die therapeutische Arbeit und den Umgang mit Irrtümern und Fehlern gewinnen zu können. In der anschließenden Diskussion zeigte sich das oft zu beobachtende Phänomen, dass das Interesse sich zuallererst auf die Beschuldigte richtete und die anwesende Betroffene erst nach neuerlicher Intervention die Aufmerksamkeit der Zuhörer gewinnen konnte.
Die Perspektiven von Tätern wurde eingehend von Stefan Postpischil dargestellt. Sexualstraftaten stellen 1,3% aller Straftaten dar, das durchschnittliche Alter der Täter liegt bei 28J. Kennzeichnend ist die höchste Rückfallwahrscheinlichkeit und eine Suchtdynamik bei den Tätern. Das Strafmaß bei §174c StGB, das gesetzlich bei 6 Mon bis 5 J liegt, wird dagegen in der Realität kaum je ausgeschöpft. Psychotherapieauflagen reduzieren das Rückfallrisiko, die Nachsorge gestalte sich jedoch extrem schwierig und sei wie eine „erzwungene Beichte“ (Lamott), wenn im Gefängnis eine Psychotherapie gemacht werde. Erleichternd sei für den Täter, dass das Gefängnis auch Halt biete wie ein Vaterersatz, schwierig dagegen, dass die Therapie dort ein doppeltes Mandat habe mit Sanktion einerseits und Hilfestellung andererseits. Zumeist erfolge nur eine Anpassungsleistung und Unterwerfung. Sexualität diene in Missbrauchssituation immer der Abwehr von Intimität, denn es sei für den Täter eigentlich nicht erträglich, was er/sie sich so sehnlich wünsche. So seien aktuell ca. 40% der Internetbesuch in den USA Clicks auf Sexualseiten. Die Tätergruppe zeichne sich vor allem durch manipulative Techniken aus, so dass eindeutige Grenzsetzungen in der Behandlung erforderlich seien bei gleichzeitig fortbestehendem Beziehungsangebot: „So nicht, aber gerne anders“. Nur so entwickele sich bei Tätern eine Motivation und echtes Leiden mit Verantwortungsübernahme. Damit können spürbar werden, dass angetan wurde, was dem Täter zu einem früheren Zeitpunkt selbst angetan worden ist in der eigenen Biografie. Auf Seiten des Therapeuten sei eine eindeutige Positionierung und absolute Transparenz erforderlich, um psychotherapeutisches Handeln und Beurteilungsfunktion zugleich zu ermöglichen. Eindeutigkeit bringe Entlastung und Verantwortlichkeit. Die Sanktionierung von Ärzten und Psychotherapeuten erscheine vergleichsweise geringer ausgeprägt als für andere (Gesundheits-)Berufe. (as)
Bericht über den 9. Interdisziplinären Workshop am 20.10.2023 (online)
Im Rahmen des Workshops wurden 3 Themenbereiche eingehend diskutiert: die Problematik der Non-Reporting Regel im Rahmen der Selbsterfahrung von Aus- und Weiterbildungsteilnehmer*innen, die Frage der Schweigepflicht in der Supervision und die Beschwerdeverfahren in den Kammern.
Weiterhin wurde über den aktuellen Stand der laufenden strafrechtlichen Verfahren berichtet. Für die betroffenen Patient*innen erweist sich deren Verlauf in der Regel als sehr belastend und zermürbend. Erschwerend hinzu kommen unqualifizierte Begutachtungen, die teils von großer Feindseligkeit gegenüber den betroffenen Patient*innen geprägt sind. Eine Ablehnung einer ersten Begutachtung kann jedoch zu einer weiteren für die Patient*innen belastenden Verzögerung des Verfahrens führen. Es wurde angeregt, Standards für die Exploration im Rahmen der Begutachtung zu erarbeiten oder auch Gespräche mit den Gutachter*innen zu führen. Ergänzend zu § 174 c StGB wurde auf § 184 i StGB „Sexuelle Belästigung“ verwiesen. Es handelt sich um ein Antragsdelikt, bei dem die Anzeige innerhalb von 3 Monaten erfolgen muss. Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre. Erneut wurde betont, dass die Vorgeschichte der sexuellen Beziehung zwischen Psychotherapeut*in und Patient*in für den Tatbestand des § 174 c StGB irrelevant ist. Diskutiert wird auch, ob die Tat mit dem Ende der therapeutischen und/oder sexuellen Beziehung eintritt, – was dem psychotherapeutischen Verständnis der Abstinenz, dem strukturellen Machtgefälle und der Abhängigkeit in der Behandlung entspricht – oder mit Ende des Vollzugs der geschlechtlichen Handlung(en). Strafrechtlich wird sexueller Missbrauch in Psychotherapie und Beratung jedoch nicht als Dauerdelikt betrachtet.
Hinsichtlich des Non-Reporting im Rahmen der Selbsterfahrung wird allgemein darauf hingewiesen, dass Aus- und Weiterbildungsteilnehmer*innen (AWTs) über Verletzung der Schweigepflicht klagen und sich durch die daraus resultierende Befangenheit beeinträchtigt fühlen. In den Beratungen des Ethikvereins stellen diese Items die zentralen Beschwerden der AWTs dar. Als ermöglichende Ursachen bestehen Doppelrollen und geschlossene Räume in Instituten. Es bleibt offen, ob sich im Rahmen der neuen Weiterbildung Verbesserungen zu erwarten sind oder es lediglich zu einer Verschiebung von multiplen Abhängigkeitsbeziehungen kommen wird. Die in Ausbildungsverträgen geforderte Entbindung von der Schweigepflicht wird jedoch als pauschal, nicht freiwillig und nicht näher spezifizierte Schweigepflichtentbindung im vorhinein als unwirksam angesehen. Es erscheint jedoch rechtlich schwierig, dagegen vorzugehen. Die Schweigepflicht im Rahmen der Supervision wird jedoch aufgrund der Notwendigkeit, die Sicherheit der Patient*innen zu gewährleisten, als problematisch bewertet.
In 95% der von den Kammern angezeigten Taten zu § 174 c stellen die Staatsanwaltschaften die Ermittlungen ein aufgrund von §153 StPO. Geringere Berufspflichtverletzungen werden bei den Landespsychotherapeutenkammern schriftlich verhandelt. Nach den staatsanwaltlichen Vorgängen kommt es bei gravierenden Abstinenzverletzungen zu berufsgerichtlichen Verfahren, die den berufsrechtlichen Überhang prüfen. Dabei wird nach dem Amtsermittlungsgrundsatz vorgegangen. Ein möglicher Entzug der Approbation durch die Approbationsbehörden wird in nahezu 100% von den Beschuldigten angefochten. Aktuell ist ein Approbationsentzug nur bei Strafen über einem Jahr, die nicht zur Bewährung ausgesetzt sind, möglich. In den vergangenen acht Jahren ist dies einmal geschehen. In den USA dagegen werden 1-2% der Psychotherapeut*innen pro Jahr aufgrund von sexuellem Missbrauch die Approbation entzogen. Es hat sich gezeigt, dass in Deutschland in den Approbationsbehörden kein ausreichendes Personal zur Bearbeitung der entsprechenden Anträge vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund wird positiv diskutiert, die Kriterien für Berufsunwürdigkeit von Psychotherapeut*innen in der Profession zu diskutieren. Aus Sicht der anwesenden Psychotherapeut*innen ist die Berufsunwürdigkeit spätestens bei wiederholtem sexuellem Missbrauch gegeben. In vielen Bundesländern ist eine Information der Beschwerdeführer*innen über den Ausgang der Beschwerdeverfahren in den Kammern gesetzlich nicht vorgesehen mit Ausnahme derzeit der PTK Rheinland-Pfalz (§ 51 Heilberufsgesetz (HeilBG), Rheinland-Pfalz**). In einigen Kammern sind mündliche Anhörungen möglich, in anderen dagegen nicht. Manche Beschwerdeführer*innen lehnen jedoch auch eine Aussage gegenüber der Kammer ab. In der PTK Niedersachsen und in der LÄK Hessen bestehen niederschwellige Beratungsmöglichkeiten für Patient*innen. Parallel zu den Verfahren in der Kammer können auch Schiedsverfahren in Berufsverbänden durchgeführt werden, mit dem Ziel, die betreffenden Kolleg*innen aus dem Verband auszuschließen.
** Vom 19. Dezember 2014, Ahndung einer Pflichtverletzung
51 (4) Personen, die die Verletzung einer Berufspflicht geltend machen, werden durch die Kammern über das Ergebnis der berufsrechtlichen Überprüfung unterrichtet. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Informationszugang besteht nicht.
8. Interdisziplinärer Workshop zu sexuellem Missbrauch in der Psychotherapie § 174c StGB 28. April 2023 (online)
Die Frage von Abstinenzverletzungen im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung wurde am Fall einer ökonomischen Grenzverletzung diskutiert Zwischen Psychotherapeut*in und Patient*in war es zu einem hochriskanten Spekulationsgeschäft über einen 6-stelligen Betrag gekommen, dessen Risiken zu Lasten der Patient*in abgesichert wurden. Im Rahmen der Vergleichsverhandlung wurde eine mehrjährige Heilungsverzögerung durch die grob fehlerhafte Behandlung mit 2.000.-€/Jahr gegengerechnet.
Diskutiert wurden neben den Qualitätskriterien für Gutachter auch die bislang fehlende finanzielle Einordnung von psychischen Schäden. Anhaltspunkte könnten sich allein durch das Schmerzensgeld für Angehörige ergeben. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe für eine weitere gemeinsame, interdisziplinäre Veröffentlichung vereinbart. Der Straftatbestand der Körperverletzung ist rein somatisch bestimmt, psychische Wunden sind nicht umfasst. Psychische Gewalt ist im juristischen Kontext nicht hinreichend bestimmt. (Bei Interesse melden Sie sich bitte in der Geschäftsstelle.)
Im Kontext eines Revisionsverfahrens zu § 174c StGB wurde von Prof. Renzikowski ausgeführt, dass die Revisionsbegründung bedauerlicherweise nicht ausführt, dass es für den Straftatbestand §174c StGB völlig unerheblich ist, ob die Initiative für sexuelle Handlungen von der Patient*in ausgeht.
In diesem Zusammenhang wurden die Begriffe Glaubhaftigkeit/Glaubwürdigkeit näher erläutert. Glaubhaftigkeit ist die Eigenschaft einer Aussage, während sich der Begriff glaubwürdig auf die Eigenschaft einer Person bezieht. Die Aussagetüchtigkeit einer Person bezeichnet die intellektuellen Fähigkeiten einer Person, die deren Aussage vor Gericht grundsätzlich brauchbar macht.
Hinsichtlich der Qualitätskriterien für aussagepsychologische Gutachten liegt ein BGH-Urteil vor (BGH 1 StR618/98, Urteil v. 30.7.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X)
Bei den PTKs bestehen Gutachterlisten:
Die darin genannten Gutachter*innen haben entsprechendes Fortbildungscurriculum absolviert und Qualifikationen erworben. In der Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer existiert eine Kommission in der Kammer, die die Qualität der Gutachten im Beschwerdefall prüfen kann und ggfls. Gutachter von der Liste entfernen kann. Diese begrüßenswerte Regelung soll jetzt in Niedersachsen übernommen werden.
Die Angeklagten dürfen zur Verteidigung dagegen lügen und wenn sie dies tun, darf Ihnen dies nicht zum Nachteil angerechnet werden.
Auch wird darauf verwiesen, dass das OEG (Opfer-Entschädigungsgesetz) neu geregelt wird.
Juristische Urteile können von Nicht-Juristen in der gemeinnützigen, kostenfreien Datenbank openJur.de nachgelesen werden oder auch im Lesesaal der Staatsbibliotheken in den Juris-Datenbanken.
Es wird weiter von der Justitiarin der PTK Rheinland-Pfalz berichtet, dass das Heilberufsgesetz in Rheinland-Pfalz (§§ 51 und 58) zum 1.1.2023 geändert worden ist. Darin heißt es jetzt, dass bei Verstößen gegen die sexuelle Abstinenz die Verjährung von 5 auf 10 Jahre erhöht wird (§58) und ein berufsgerichtliches Verfahren auch dann fortgeführt wird, wenn die Berufspflicht des Kammermitglieds außerhalb von Rheinland-Pfalz verübt wurde, wenn die Mitgliedschaft des Kammermitglieds endet oder der Beruf außerhalb des Landes ausgeübt wird. Außerdem ist bestimmt, dass die Kammer über das Ergebnis des Verfahrens denjenigen (Patienten) informiert, der die Berufspflichtverletzung geltend gemacht hat. Diese sehr erfreulichen Änderungen sind Modell für entsprechende Änderungen in anderen Bundesländern und nachzulesen unter: https://landesrecht.rlp.de/bsrp/document/jlr-HeilBer2014V20P51
In der Diskussion zu den unterschiedlichen Schwierigkeiten von betroffenen Patient*innen in strafrechtlichen Verfahren wurde neben problematischen Begutachtungen auch auf dysfunktional arbeitende Staatsanwaltschaften und Richter verwiesen. Von einer Rechtsbeugung kann allerdings nur dann gesprochen werden, wenn systematisch Gesetze durch einen Richter fehlangewendet werden.
In den Beratungen des Ethikvereins wird versucht zu klären, ob es sich nach den Aussagen der Patient*in um einen strafrechtlich relevanten Umstand handelt oder nicht. 28% der Beratungsfälle beinhalten sexuelle Grenzverletzungen, ca. in Drittel hiervon ist strafrechtlich relevant. Wenn dies der Fall ist, wird weiter versucht zu klären, ob ausreichend Beweismittel vorhanden sind, um den Tatvorwurf zu belegen. Zum dritten versuchen wir weiter, die psychische Stabilität, das Anliegen und die Motivation der Patient*in zu berücksichtigen. Es wird nur in den Fällen zu einem strafrechtlichen Vorgehen geraten, in dem möglichst alle Kriterien positiv beantwortet werden können. Die Berater*innen werden jedoch in einigen Fälle auch von betroffenen Patient*innen kontaktiert, nachdem diese schon von sich aus Strafanzeige erstattet haben.
Der rechtliche Umgang mit hochstreitigen Eltern (Sorgeberechtigten) in familien- und strafrechtlicher Hinsicht wurde von mehreren Beteiligten aufgeworfen und soll Gegenstand einer weiteren Onlinekonferenz sein.
Die Förderung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist aktuell strafrechtlich nicht zu fassen. Hierzu würde es eines neu zu definierenden Tatbestands bedürfen. Für §183 StGB (Kuppelei) bedarf es eines Vorsatzes, der regemäßig nicht nachweisbar ist. Eine mögliche Anzeigepflicht würde auch behandelnde Psychotherapeuten in rechtlich sehr schwierige Situationen bringen, die möglicherweise zur Schädigung des betroffenen Kindes oder Jugendlichen führen bedingt durch den Therapieabbruch, wenn strittige Eltern ihre Zustimmung zur Behandlung zurückziehen. In Frage kommt lediglich die Prüfung von Strafvereitelung. Auch eine Garantenpflicht kommt für bloße Zeugen nicht in Betracht, diese besteht bei vertraglicher vereinbarter Fürsorgepflicht/Verantwortung für den Betroffenen, wie beispielsweise beim Behandlungsvertrag.
Bericht zum 7. Interdisziplinären Workshop: Sexueller Missbrauch und andere rechtliche Probleme in der Psychotherapie am 28.Oktober 2022 (online)
Die Frage, in wie weit und unter welchen Bedingungen abgeschlossene innerverbandliche Schiedsverfahren mit Zustimmung und Schweigepflichtentbindung der betroffenen Patient*in an die Approbationsbehörden weitergeleitet werden können, wurde eingehend erörtert. Die komplexe Fragestellung berührt sowohl datenschutzrechtliche und medizinrechtliche Bestimmungen als auch die Persönlichkeitsrechte. Es wäre empfehlenswert, die Frage gutachterlich zu untersuchen. Pragmatisch sind 2 Optionen denkbar, entweder als Verband von Seiten der Leitung die Approbationsbehörden telefonisch zu informieren über den berufsrechtlich relevanten Schiedsspruch und den Schiedsspruch von Amtswegen durch die Approbationsbehörden anfordern zu lassen oder als Mitglied des Verbandes nach der beschlussfassenden Mitgliederversammlung die Approbationsbehörden zu kontaktieren und sie aufzufordern, in der Sache tätig zu werden.
Die Frage, ob die Schweigepflicht (§ 203 StGB) auch hinsichtlich des Schiedsverfahrens besteht ist richterlich nicht ausgeurteilt. In der DGPT ist die Schweigepflicht (Ethikleitlinien) zum Schiedsverfahren nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung aufgehoben. In wie weit ein rechtfertigender Notstand in Bezug auf die (konkret) bestehende Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, wäre ebenfalls noch gerichtlich zu prüfen. Bei Untätigkeit der Approbationsbehörden (was in mehreren Berichten festzustellen war) wäre die Rechtsaufsicht der Approbationsbehörden einzuschalten, ebenso wie aus psychotherapeutischer Sicht sehr fragwürdig erscheint, dass ein abgeschlossenes Strafverfahren als Voraussetzung für ein Approbationsentzugsverfahren gefordert wird. Hier kann erneut eine Diffusion der Verantwortung beobachtet werden, was vor dem Hintergrund der Wiederholungstäter im Hinblick auf die Patientensicherheit und das hohe Schädigungspotential als äußersten problematisch bewertet werden muss. Aus ethischer Sicht sollte die Meldung an die Approbationsbehörden seitens des Verbands erfolgen, um der Patient*in mögliche Rechtsfolgen und damit weitere Schädigung zu vermeiden.
In einem anderen inzwischen über 6 Jahre andauernden rechtlichen Verfahren wurden erklärtermaßen psychotherapeutische Interventionen über ca. 40 Sitzungstermine von einem somatischen Facharzt angewendet und die Behandlungsbeziehung genutzt, um sexuellen Handlungen wiederholt an der Patient*in vorzunehmen. Nach Beschwerde über die Staatsanwaltschaft, die keine Ermittlungen aufnehmen wollte, und Klageerzwingungsverfahren wurde der beschuldigte Arzt erstinstanzlich verurteilt nach §174c, Abs.1, in der Berufsverhandlung, die sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch dem/r Beschuldigten – trotz unstrittigem Tatbestand – initiiert wurde, wurde das Urteil am Landgericht aufgehoben. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenkläger*in beantragten die Revision. Die Generalstaatsanwaltschaft begründete ausführlich und detailliert. Die Revision war erfolgreich. Im Urteil wurde das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben, inclusive der Tatsachenfeststellung. Das OLG-Urteil führt aus, dass die Behandlungsbeziehung „nicht auf Augenhöhe“ gewesen sei. Aus psychotherapeutischer Sicht besteht in der Behandlung immer ein Abhängigkeitsverhältnis, auch wenn wie in diesem Fall die psychotherapeutischen Fachstandards nicht eingehalten wurden. Aus rechtlicher Sicht ist das faktische Behandlungsverhandlungsverhältnis entscheidend und der subjektive Eindruck der Patient*in. Darüber hinaus sollten durch die Gesetzgebung, nicht nur Psychotherapeuten im gesetzlichen Sinne von § 174c, Abs.2 erfasst werden, sondern auch der graue Markt und Scharlatane (Begründung zur Gesetzesvorlage). Der Begriff „auf Augenhöhe“ wird problematisiert, da diese in einigen Therapieverfahren proklamiert wird und so die Regelungen zur Abstinenz in den Berufsordnungen unterlaufen werden und die Anwendung dieses nicht allgemeinverbindlich definierten Begrifflichkeit damit gefährlich werden kann, weil sie das strukturelle Machtgefälle verleugnet. Die Belastung der Patent*in ist in Anbetracht der Gesamtdauer des rechtlichen Verfahrens erheblich, da sie den inneren psychischen Prozess während des Verfahrens kaum abschließen kann.
Ein weiterer Diskussionspunkt beleuchtet die Kommunikation zwischen verschiedenen Verbänden und Dachverbänden. Nachfolgende Änderungsanregungen wurden formuliert: Schiedskommissionen extern besetzen, um Befangenheiten berücksichtigen zu können; die Notwendigkeit, in jedem Institut, Verband eigene Ethikleitlinien inclusive Schiedsebene zu installieren, um Institutsmitglieder, die nicht Verbandsmitglieder ausschließen zu können; Informations-/Auskunftspflicht bei Doppelmitgliedschaften oder Neuaufnahmen der Verbände untereinander, auch transnational; Notwendigkeit der Information der Kammern über Ausschlüsse, um beispielsweise Richterbesetzung (ehrenamtliche Beisitzer*innen) prüfen zu können.
Abschließend wurde die Frage der gerichtlich angeordneten Begutachtungen sowohl im familienrechtlichen als auch strafrechtlichen Bereich diskutiert. Die Qualität der Gutachter erscheint fragwürdig in aktuell und in der Vergangenheit begleiteten Verfahren. Die PTKs arbeiten an Listen von bei den Kammern akkreditierten Gutachtern, die Fortbildungen nachweisen müssen. Bislang werden nur Beschwerden gegen solche Gutachter verfolgt, die auf dieser Liste stehen. Oftmals sind Gutachter jedoch nicht approbiert, so dass sie kammerrechtlich nicht zu belangen sind.
Der 6. Interdisziplinäre Workshop zum Thema sexueller Missbrauch in der Psychotherapie hat die Problematik berufsrechtlicher und ethischer Fragen in der Kinder und Jugendlichenpsychotherapie, verschiedene Aspekte von Beschwerdeverfahren in den Psychotherapeutenkammern und die Notwendigkeit weiterer (erfolgreicher) Strafverfahren aufgegriffen und eingehend diskutiert. Die o.g. geplante Veröffentlichung ist von der NStZ angenommen worden (PDF).
Am 10. Dezember 2021 fand der 5. Interdisziplinäre Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ online statt. Die Diskussion weiterer anonymisierter Falldarstellungen verstärkte den Eindruck, dass die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben im Rahmen des Rechtsweges als dysfunktional anzusehen ist. Es wurde eine redaktionelle Arbeitsgruppe gebildet, die die geplante Veröffentlichung für die NStZ realisiert.
Der 4. Interdisziplinärer Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ am 25. Juni 2021 hat drei Schwerpunkte aufgegriffen. Zum einen haben verschiedene Teilnehmer des Workshops beobachtet, dass bundesweit Staatsanwaltschaften und auch Generalstaatsanwaltschaften Verfahren wegen sexuellem Missbrauch in der in Psychotherapie und Beratung einstellen, sogar ohne Ermittlungen aufzunehmen. Hierzu wird eine gemeinsame Veröffentlichung der Beteiligten vereinbart. Weiter wurde das Feld pseudo-therapeutischer Angebote kritisch beleuchtet und festgestellt, dass Patientinnen und Patienten in diesem Rahmen gravierend geschädigt werden und im Vorfeld ihre Gefährdung nicht wahrnehmen können. Psychotherapeutische Standards müssen auch hier offensiver vertreten werden. Die Problematik von Kündigungen/Gestaltung von Arbeitszeugnissen nach sexuellem Missbrauch in der psychotherapeutischen Behandlung wird unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten erörtert.
Ein 3. Interdisziplinärer Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ wurde am 29. Januar 2021 online durchgeführt. Die Thematik der individuellen und institutionellen Abwehrbemühungen wurde anhand der ausgewerteten Beratungsdaten und -verläufe dargestellt und breit und an verschiedenen Beispielen von Schwierigkeiten (Einstellung von Verfahren, Beschwerde gegen Einstellungsverfügung, Verfahrensrügen wegen Verfahrensverzögerungen, Klageerzwingungsverfahren, Disziplinarverfahren) in den aktuellen Strafverfahren diskutiert.
Der 2. Interdisziplinäre Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ fand am 2. Oktober 2020 online statt. Der Erfahrungsaustausch sensibilisiert die Jurist*innen für die besondere Problematik in der Psychotherapie und die psychotherapeutischen Kolleg*innen für die rechtlichen Prüfschritte im Rahmen von straf- und berufsrechtlichen Schritten.
Am 31. Januar 2020 fand in Frankfurt ein interdisziplinärer Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ statt. Auf Einladung von Prof. Thomas Gutmann und dem Ethikverein e.V. trafen sich AutorInnen der einschlägigen strafrechtlichen Kommentierungen, Vorsitzende von Schiedskommissionen, RechtsanwältInnen, PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen zu einem Erfahrungsaustausch über die aktuellen Entwicklungen seit Einführung des §174c im Jahr 1998 und der nachfolgenden BGH-Rechtsprechung 2009.