Workshops

Interdisziplinäre Workshops

Am 31. Januar 2020 fand in Frankfurt ein interdisziplinärer Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ statt. Auf Einladung von Prof. Thomas Gutmann und dem Ethikverein e.V. trafen sich AutorInnen der einschlägigen strafrechtlichen Kommentierungen, Vorsitzende von Schiedskommissionen, RechtsanwältInnen, PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen zu einem Erfahrungsaustausch über die aktuellen Entwicklungen seit Einführung des §174c im Jahr 1998 und der nachfolgenden BGH-Rechtsprechung 2009.

Der 2. Interdisziplinäre Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ fand am 2. Oktober 2020 online statt. Der Erfahrungsaustausch sensibilisiert die Jurist*innen für die besondere Problematik in der Psychotherapie und die psychotherapeutischen Kolleg*innen für die rechtlichen Prüfschritte im Rahmen von straf- und berufsrechtlichen Schritten.

Ein 3. Interdisziplinärer Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ wurde am 29. Januar 2021 online durchgeführt. Die Thematik der individuellen und institutionellen Abwehrbemühungen wurde anhand der ausgewerteten Beratungsdaten und -verläufe dargestellt und breit und an verschiedenen Beispielen von Schwierigkeiten (Einstellung von Verfahren, Beschwerde gegen Einstellungsverfügung, Verfahrensrügen wegen Verfahrensverzögerungen, Klageerzwingungsverfahren, Disziplinarverfahren) in den aktuellen Strafverfahren diskutiert.

Der 4. Interdisziplinärer Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ am 25. Juni 2021 hat drei Schwerpunkte aufgegriffen. Zum einen haben verschiedene Teilnehmer des Workshops beobachtet, dass bundesweit Staatsanwaltschaften und auch Generalstaatsanwaltschaften Verfahren wegen sexuellem Missbrauch in der in Psychotherapie und Beratung einstellen, sogar ohne Ermittlungen aufzunehmen. Hierzu wird eine gemeinsame Veröffentlichung der Beteiligten vereinbart. Weiter wurde das Feld pseudo-therapeutischer Angebote kritisch beleuchtet und festgestellt, dass Patientinnen und Patienten in diesem Rahmen gravierend geschädigt werden und im Vorfeld ihre Gefährdung nicht wahrnehmen können. Psychotherapeutische Standards müssen auch hier offensiver vertreten werden. Die Problematik von Kündigungen/Gestaltung von Arbeitszeugnissen nach sexuellem Missbrauch in der psychotherapeutischen Behandlung wird unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten erörtert.

Am 10. Dezember 2021 fand der 5. Interdisziplinäre Workshop zum Thema „Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie“ online statt. Die Diskussion weiterer anonymisierter Falldarstellungen verstärkte den Eindruck, dass die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben im Rahmen des Rechtsweges als dysfunktional anzusehen ist. Es wurde eine redaktionelle Arbeitsgruppe gebildet, die die geplante Veröffentlichung für die NStZ realisiert.

Der 6. Interdisziplinäre Workshop zum Thema sexueller Missbrauch in der Psychotherapie hat die Problematik berufsrechtlicher und ethischer Fragen in der Kinder und Jugendlichenpsychotherapie, verschiedene Aspekte von Beschwerdeverfahren in den Psychotherapeutenkammern und die Notwendigkeit weiterer (erfolgreicher) Strafverfahren aufgegriffen und eingehend diskutiert. Die o.g. geplante Veröffentlichung ist von der NStZ angenommen worden (PDF).

Bericht zum 7. Interdisziplinären Workshop: Sexueller Missbrauch und andere rechtliche Probleme in der Psychotherapie am 28.Oktober 2022 (online)

Die Frage, in wie weit und unter welchen Bedingungen abgeschlossene innerverbandliche Schiedsverfahren mit Zustimmung und Schweigepflichtentbindung der betroffenen Patient*in an die Approbationsbehörden weitergeleitet werden können, wurde eingehend erörtert. Die komplexe Fragestellung berührt sowohl datenschutzrechtliche und medizinrechtliche Bestimmungen als auch die Persönlichkeitsrechte. Es wäre empfehlenswert, die Frage gutachterlich zu untersuchen. Pragmatisch sind 2 Optionen denkbar, entweder als Verband von Seiten der Leitung die Approbationsbehörden telefonisch zu informieren über den berufsrechtlich relevanten Schiedsspruch und den Schiedsspruch von Amtswegen durch die Approbationsbehörden anfordern zu lassen oder als Mitglied des Verbandes nach der beschlussfassenden Mitgliederversammlung die Approbationsbehörden zu kontaktieren und sie aufzufordern, in der Sache tätig zu werden.

Die Frage, ob die Schweigepflicht (§ 203 StGB) auch hinsichtlich des Schiedsverfahrens besteht ist richterlich nicht ausgeurteilt. In der DGPT ist die Schweigepflicht (Ethikleitlinien) zum Schiedsverfahren nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung aufgehoben. In wie weit ein rechtfertigender Notstand in Bezug auf die (konkret) bestehende Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, wäre ebenfalls noch gerichtlich zu prüfen. Bei Untätigkeit der Approbationsbehörden (was in mehreren Berichten festzustellen war) wäre die Rechtsaufsicht der Approbationsbehörden einzuschalten, ebenso wie aus psychotherapeutischer Sicht sehr fragwürdig erscheint, dass ein abgeschlossenes Strafverfahren als Voraussetzung für ein Approbationsentzugsverfahren gefordert wird. Hier kann erneut eine Diffusion der Verantwortung beobachtet werden, was vor dem Hintergrund der Wiederholungstäter im Hinblick auf die Patientensicherheit und das hohe Schädigungspotential als äußersten problematisch bewertet werden muss. Aus ethischer Sicht sollte die Meldung an die Approbationsbehörden seitens des Verbands erfolgen, um der Patient*in mögliche Rechtsfolgen und damit weitere Schädigung zu vermeiden.

In einem anderen inzwischen über 6 Jahre andauernden rechtlichen Verfahren wurden erklärtermaßen psychotherapeutische Interventionen über ca. 40 Sitzungstermine von einem somatischen Facharzt angewendet und die Behandlungsbeziehung genutzt, um sexuellen Handlungen wiederholt an der Patient*in vorzunehmen. Nach Beschwerde über die Staatsanwaltschaft, die keine Ermittlungen aufnehmen wollte, und Klageerzwingungsverfahren wurde der beschuldigte Arzt erstinstanzlich verurteilt nach §174c, Abs.1, in der Berufsverhandlung, die sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch dem/r Beschuldigten – trotz unstrittigem Tatbestand – initiiert wurde, wurde das Urteil am Landgericht aufgehoben. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenkläger*in beantragten die Revision. Die Generalstaatsanwaltschaft begründete ausführlich und detailliert. Die Revision war erfolgreich. Im Urteil wurde das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben, inclusive der Tatsachenfeststellung. Das OLG-Urteil führt aus, dass die Behandlungsbeziehung „nicht auf Augenhöhe“ gewesen sei. Aus psychotherapeutischer Sicht besteht in der Behandlung immer ein Abhängigkeitsverhältnis, auch wenn wie in diesem Fall die psychotherapeutischen Fachstandards nicht eingehalten wurden. Aus rechtlicher Sicht ist das faktische Behandlungsverhandlungsverhältnis entscheidend und der subjektive Eindruck der Patient*in. Darüber hinaus sollten durch die Gesetzgebung, nicht nur Psychotherapeuten im gesetzlichen Sinne von § 174c, Abs.2 erfasst werden, sondern auch der graue Markt und Scharlatane (Begründung zur Gesetzesvorlage). Der Begriff „auf Augenhöhe“ wird problematisiert, da diese in einigen Therapieverfahren proklamiert wird und so die Regelungen zur Abstinenz in den Berufsordnungen unterlaufen werden und die Anwendung dieses nicht allgemeinverbindlich definierten Begrifflichkeit damit gefährlich werden kann, weil sie das strukturelle Machtgefälle verleugnet. Die Belastung der Patent*in ist in Anbetracht der Gesamtdauer des rechtlichen Verfahrens erheblich, da sie den inneren psychischen Prozess während des Verfahrens kaum abschließen kann.

Ein weiterer Diskussionspunkt beleuchtet die Kommunikation zwischen verschiedenen Verbänden und Dachverbänden. Nachfolgende Änderungsanregungen wurden formuliert: Schiedskommissionen extern besetzen, um Befangenheiten berücksichtigen zu können; die Notwendigkeit, in jedem Institut, Verband eigene Ethikleitlinien inclusive Schiedsebene zu installieren, um Institutsmitglieder, die nicht Verbandsmitglieder ausschließen zu können; Informations-/Auskunftspflicht bei Doppelmitgliedschaften oder Neuaufnahmen der Verbände untereinander, auch transnational; Notwendigkeit der Information der Kammern über Ausschlüsse, um beispielsweise Richterbesetzung (ehrenamtliche Beisitzer*innen) prüfen zu können.

Abschließend wurde die Frage der gerichtlich angeordneten Begutachtungen sowohl im familienrechtlichen als auch strafrechtlichen Bereich diskutiert. Die Qualität der Gutachter erscheint fragwürdig in aktuell und in der Vergangenheit begleiteten Verfahren. Die PTKs arbeiten an Listen von bei den Kammern akkreditierten Gutachtern, die Fortbildungen nachweisen müssen. Bislang werden nur Beschwerden gegen solche Gutachter verfolgt, die auf dieser Liste stehen. Oftmals sind Gutachter jedoch nicht approbiert, so dass sie kammerrechtlich nicht zu belangen sind.